Mikroformate (Microformats) sind 2005 gestartet und sorgten für relativ großes Aufsehen in der Webdesigner- und entwicklerszene. Ein neuer Star am Himmel der offenen Webstandards war geboren. Er befindet sich immer noch in der Krabbelphase. Wird er laufen lernen?
Die Grundidee:
Designed for humans first and machines second, microformats are a set of simple, open data formats built upon existing and widely adopted standards.
Eine kurze Beschreibung der Mikroformate aus dem Jahr 2005, für diejenigen, die sie vielleicht noch nicht kennen: Microformats auf Markup.
Was ist daraus geworden? Wo geht die Reise hin? Festzustellen bleibt jetzt in 2008, dass sie in der breiten Masse noch keine Verwendung finden und an den Endanwendern bzw. Otto Normalverbraucher fast komplett vorbei gehen.
Und das, obwohl sie rein zahlenmäßig schon ziemlich weit verbreitet sind.
„Designed for humans first“. Derzeit kommt der Mensch noch zu kurz. Ansätze der Unterstützung existieren zunächst auf Ebene der Maschinen bzw. Browser, nachgeholfen mit Plugins. Richtig ist, dass Otto davon direkt nichts bemerken muss. Er muss nicht wissen, wie sie im Detail funktionieren. Das gilt für alle Datenformate, die anhand visueller oder sonstiger Schnittstellen Informationen für Menschen bereitstellen.
Menschen müssen die Formate noch sehr aktiv nutzen. Was heißt, sie müssen wissen, dass es sie gibt und sich außerdem Plugins installieren. Ein intuitives Klicken auf eine entsprechend verwertbare Information (z.B. Adressen oder Eventeinträge) ist noch nicht möglich.
Wir, die Webdesigner und -entwickler, v.a. aber auch die Browserhersteller müssten mehr tun, um sie in Anwendung zu bringen. Denkbare Anwendungsszenarien existieren bereits.
Denkbare Anwendungsszenarien
Michael Jendryschik hat in seiner Präsentation, auf dem Webkongress in Erlangen 2008, sechs konkrete Anwendungsbeispiele für Mikroformate vorgestellt.
- Datenimport von Kontaktdaten
- Datenexport von Veranstaltungen
- Umfragen auswerten mit Folksr
- Mashups
- CSS-Layouts
- Bessere Suchmaschinen
Link: 6 Beispiele für die nützliche Anwendung von Mikroformaten
Alle Beispiele zeigen aber, dass das Ganze noch nicht für die Breite Masse geeignet ist. Entweder zu geekig und für den normalen Anwender nicht zu verstehen, oder eben zu umständlich, weil Plugins benötigt werden. Trotzdem aber zeigen diese sechs Beispiele teilweise eindrucksvoll, was möglich wäre.
Die Hürde zur Praxisrelevanz
Wie bereits erläutert, sind die Mikroformate derzeit nur mit Hilfe von Plugins, oder aber zumindest wenig intuitiv, durch den normalen Anwender nutzbar. Otto nutzt Plugins eher weniger und so kann noch keine Rede von einer Praxisrelevanz sein. Mikroformate müssen ohne Plugins nutzbar sein. Zum Thema Mikroformate aus Sicht des Anwenders hat Michael Jendryschik zwei Artikel geschrieben:
Konkurrenz durch RDFa?
RFDa steht für „Resource Description Format – in Attributes“. RDFa erweitert HTML also rein auf Ebene der Attribute und verlangt keine weiteren vorgegebenen Strukturen im Quelltext. Das ist eigentlich ein großer Vorteil gegenüber den Mikroformaten.
RDFa ist freier und bietet Entwicklern mehr Spielräume, da die Ontologien dezentral geregelt werden. Jeder kann quasi sein eigenes für sich sinnvolles Süppchen kochen.
Mikroformate werden dagegen zentral definiert. Entwickler einigen sich auf allg. gültige Ontologien. Für die Praxis ist das wohl ein theoretischer Vorteil für die Mikroformate. Nur ein breiter Konsens unter Entwicklern kann die technisch standardisierte Basis für eine Implementierung in der Breite legen.
Das Problem der noch fehlenden Praxisrelevanz hat RDFa den Mikroformaten gemein. Auch dieses Format kann für den Endanwender nur durch den Einsatz von Browsererweiterungen nutzbar gemacht werden.
Links zu RDFa finden sich am Ende des Artikels.
„Semantische“ Formate im Trend?
Im Vergleich bei Google Trends liegen die Mikroformate noch deutlich vorne. RDFa findet so gesehen praktisch gar nicht statt.
Deutlich wird aber auch, das merklich rückläufige Suchvolumen bei den Mikrofromaten. Ein Indiz für die fehlende Relevanz beider Formate?
Zukunft der Mikroformate
Die Zeit für Mikroformate im Praxiseinsatz ist noch nicht reif. Ohne eine Breite Unterstützung der Formate durch die Browser- und Gerätehersteller (ohne Plugins), kommen sie nicht für den Einsatz in der breiten Masse in Frage.
Webdesigner und Entwickler können, sofern sie selbst einen Mehrwert darin sehen, dafür werben und sie bereits einsetzen. Evtl. kann so ein wenig Druck auf die Browserhersteller ausgeübt werden. Denn wir sehen eigentlich schon jetzt konkrete und sinnvolle Anwendungsbeispiele.
Vielleicht muss aber auch zunächst eine Entscheidung zu Gunsten eines Formats, Mikroformate oder RDFa, fallen. Die Mikroformate sind in Entwicklerkreisen noch etwas populärer als RDFa. Aber RDFa selbst findet manch einer mindestens genauso interessant.
Beide Vertreter müssen sich, nachdem sie jetzt definiert sind, die Frage nach ihrer Relevanz für den alltäglichen Gebrauch stellen.
Eric Eggert sagt:
Von welcher fehlenden Praxisrelevanz sprichst du eigentlich im Bezug auf Microformats? Sie kommen in vielen Bereichen schon zum Einsatz und können zum Beispiel über die Technorati-API auch für Normalsterbliche zugänglich gemacht werden, die dann eben kein Plugin brauchen.
Der IE8 wird Microformats genauso nutzen wie das heute schon tausende Webseiten bei Yahoo! und anderswo tun. Das niemand diese Daten herauszieht und verknüpft hat nichts mit der Praxisrelevanz zu tun sondern mit den begrenzten Informationsgehalt einiger Microformats, beispielsweise sollte der Autor eines Blogposts immer als hCard ausgezeichnet werden, was grundsätzlich auch sinnvoll ist. Aber eine hCard ausschließlich mit Namen und Webadresse ist nicht sinnvoll. Deshalb machen Tools, die generell jedes fitzelchen Microformat anzeigen auch keinen Sinn – deshalb hat der Firefox kein Interface dafür. Was bringen mir ein Indikator für vermeintliche Infos, wenn dann doch keine ausreichenden da sind.
Wo es sinnvoll ist, da sollte man Benutzern anbieten den „Kontakt zum Adressbuch hinzufügen“ oder „Termin im Kalender speichern“. Es ist nicht die Aufgabe des Browsers das zu übernehmen, weil er eben nicht zwischen gehaltvollen und Microformats auf Diät unterscheiden kann.
13. November 2008 — 10:51
Matthias Pfefferle sagt:
@Eric: Weißt du mehr über die Microformats-Integration im IE8? Geht es um eine umfassende Lösung oder nur um die schon angekündigten Webslices?
13. November 2008 — 11:10
Eric Eggert sagt:
Ich weiß nur von den Webslices, aber das ist schonmal ein Schritt in die richtige Richtung. Und da wird noch mehr kommen, denke ich.
13. November 2008 — 12:13
Patrick H. Lauke sagt:
…aber nicht vergessen: Microformats haben immer noch Probleme im Bereich Accessibility und Internationalisation. Siehe http://www.webstandards.org/2007/04/27/haccessibility/ http://www.webstandards.org/2008/06/23/haccessibility-redux/ http://www.isolani.co.uk/blog/access/AccessibilityOfDateTimeMicroformat und
http://microformats.org/wiki/internationalisation
16. November 2008 — 0:14