abrissberlin startet neu

Ostprinzessin, 20. Dezember 2020

Hier geht es künftig weiter: abrissberlin.de

Liebes Lesepublikum,

nach nunmehr fast 15 aufregenden Jahren ABRISSBERLIN gehen wir zurück in die Zukunft und starten mit einer neuen gemeinschaftlichen Redaktion, um wieder ganz im Hier und Heute gegen Abrisspolitik und für eine in jeder Hinsicht vielfältige Stadt zu schreiben, zu streiten, zu arbeiten.

Die Coronavirus-Pandemie und die schwerwiegenden Folgen ihrer Bekämpfung erinnern uns daran, wie bedeutsam es ist, durch solidarisches Handeln für Wahrheit und Vernunft, alternative Konzepte und wundervolle Träume einzustehen. Allen Mächten und Ohnmächten, auch den eigenen, wollen wir mit frischer Lust und Leidenschaft begegnen.

Die 400 Berichte und Beiträge der vergangenen Jahre bleiben erhalten. Wir frieren die alte Website ein und verankern sie damit als allen zur Verfügung stehendes Nachschlagewerk und Archiv-Schatz. Unsere Erfahrungen sind Teil der Berichterstattung in TV und Radio, Online-Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften geworden, Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten und Projekte, von Protesten und Demonstrationen, Bürger:innen- und Volksbegehren, und fanden Eingang in parlamentarische Arbeit; und manches ist nun sogar schöngeistige Literatur, z. B. Atmen im Gegenwind.

Wir sagen DANKE von Herzen, vor allem unserem Lesepublikum und allen anderen, die uns dankbar, kritisch, freudebringend oder zweifelnd begleitet haben. Und wir laden ein, wieder dabei zu sein und mitzumischen – hier: abrissberlin.de. Wir sind gespannt, was kommt. Kommt ihr mit?

Bis gleich!

Mietenwahnsinn widersetzen

Abriss Ghost, 5. April 2018

Die vielleicht wichtigste Demo des Jahres.

14. 04. – 14 Uhr – Potsdamer Platz
http://mietenwahnsinn.info

WIDERSETZEN – Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn

In Berlin werden Menschen durch steigende Mieten verdrängt. Mietwohnungen werden in Eigentum umgewandelt. Nachbarschaften werden zerstört. Soziale Einrichtungen und Gewerbetreibende finden keine bezahlbaren Räume mehr. Die Obdachlosigkeit wächst. Rassismus und Diskriminierung erschweren zusätzlich die Wohnungssuche. Selbst am Stadtrand gibt es kaum noch bezahlbaren Wohnraum. 74% sehen in den hohen Wohnkosten eine Gefahr, die Wohnung zu verlieren oder zu verarmen. Fast die Hälfte der Berliner Mieter*innen befürchtet, sich in den nächsten 2 Jahren die Wohnung nicht mehr leisten zu können.

Diese Misere hat System!

In dieser Gesellschaft wird mit Wohnungen und dem öffentlichen Raum Geld gemacht. Wohnungen werden wie Waren gehandelt, die den Profit steigern sollen. Immer mehr Einkommen geht für die Miete drauf. Mieter*innen konkurrieren um sogenannten günstigen Wohnraum oder Sozialwohnungen, die Mangelware geworden sind. Aber menschenwürdiges Wohnen ist ein Grundbedürfnis und Menschenrecht. Deshalb muss das Prinzip „Profit vor Menschen“ abgeschafft werden.

Für eine solidarische Stadt,

die kein Geschäftsmodell ist, sondern Lebensraum für Alle – unabhängig z. B. von Herkunft, Sprache, Alter, Behinderung oder Einkommen, in der die Häuser fürs Wohnen und nicht für den Profit gebaut werden, in der Menschen nicht mehr in Notunterkünften und Heimen leben müssen und in der Wohnraum Allgemeingut wird. Wir fordern einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik!

Widersetzen wir uns!

Für diese Stadt wollen wir gemeinsam kämpfen! Seite an Seite, solidarisch – schon betroffen oder nicht. Immer mehr Menschen wehren sich selbstorganisiert in Hausgemeinschaften, Initiativen, vor Gericht oder auf Demonstrationen. Sehr oft mit Erfolg: Widerstand lohnt sich!

Kommt zur DEMONSTRATION AM SAMSTAG 14. APRIL UM 14 UHR AM POTSDAMER PLATZ.

Setzt euch in euren Kiezen zusammen zu den berlinweiten AKTIONSTAGEN VOM 4. BIS ZUM 14. APRIL 2018.

Wer kriegt die Alte Münze?

Abriss Phantom, 20. August 2017

Am Mittwoch findet im TD eine Diskussion zur Zukunft der Alten Münze statt, die es in sich hat. Denn der Kampf hinter den Kulissen ist längst voll entbrannt. Es geht um einen der letzten attraktiven Großstandorte in der Innenstadt, und eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure kreist bereits geierhaft über dem schlossartigen Anwesen. Doch das Verfahren ist offen. Noch.

23.08.2016, 12.00 Uhr

Wir gestalten: Stadt!

Die Alte Münze am Molkenmarkt – zur Zukunft eines zentral gelegenen Kulturstandortes

Öffentliches Fachgespräch im Theaterdiscounter mit

Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa
Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
Iris Spranger, Sprecherin für Bauen, Wohnen, Mieten der SPD Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus
Regina Kittler, Kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus
Daniel Wesener, Kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus

Moderation

Wibke Behrens, Sprecherin Kulturpolitische Gesellschaft Berlin + Brandenburg / Sprecherin Koalition der Freien Szene
Christophe Knoch, Sprecher Koalition der Freien Szene Berlin

Hintergrund

Der Standort Alte Münze bietet 15.000 Quadratmeter für die Kunst – mitten in Berlin am Alexanderplatz. Das Areal, das an der Spitze der neu entstehenden Kulturachse über das Stadtentwicklungsgebiet Molkenmarkt bis hin zum Haus der Statistik liegt, wird im Rahmen einer neuen Liegenschaftspolitik für eine Kulturelle Nutzung neu diskutiert. Wie diese öffentliche Liegenschaft zukünftig genutzt werden soll, darüber wird seit Monaten kontrovers, aber selbst für Involvierte unübersichtlich debattiert. Das Fachgespräch unter dem Motto: „Wir gestalten: Stadt!“ zwischen Politik, Verwaltung und engagierter Zivilgesellschaft soll Transparenz in diese Debatte bringen:

• Was für ein Verfahren würde diesem Ort entsprechen?
• Warum gibt es allein fünf beauftragte Machbarkeitsstudien zu potentieller Nutzung und Sanierungsbedarf der Liegenschaft? Wo sind diese einsehbar?
• Wo wird der Prozess um die zukünftige Nutzung koordiniert? Wer trifft Entscheidungen? Welche Senatsverwaltung ist wie involviert, welche Rolle spielt die BIM?
• Und wie können durch offene und transparente Vergabe und Nutzung die gegebenen Chancen für eine bürgerorientierte Stadtgestaltung jenseits von Partikularinteressen und ökonomischen Sachzwängen genutzt werden?

Vor dem Fachgespräch findet um 10:30 Uhr eine Führung zur Geschichte der Alte Münze mit Kulturwissenschaftler Eberhard Elfert statt. Treffpunkt für die Führung ist am Molkenmarkt 2, 10179 Berlin.

Überblick: 40 Jahre Berliner Bausumpf

Der Böse Wolf, 27. Januar 2017

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

als Protest gegen die Entlassung des kritischen Wissenschaftlers Andrej Holm halten Studierende seit einigen Tagen das Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt Universität (ISW) besetzt. Die Besetzung wird durch zahlreiche Veranstaltungen unterstützt, die im ISW derzeit stattfinden – das stets aktualisierte Programm findet ihr hier: http://iswbesetzt.blogsport.eu/programm.

Mein Kollege Michael Förster und ich werden am kommenden Montag, den 30.01., um 18 Uhr eine Vortragsveranstaltung im ISW anbieten, zu der Ihr alle herzlich eingeladen seid: Berlin negativ – Ein Parforceritt durch die Berliner Bau- und Korruptionsskandale der letzten 40 Jahre.

Da vor dem Hintergrund der Entlassung von Andrej Holm immer wieder auf die Immobilienwirtschaft bzw. Immobilienlobby Bezug genommen wurde, soll der Vortrag einen kleinen Einblick in dieses Milieu bieten.

Viele Grüße
Benedict

Warum Andrej Holm gegangen wird

Ostprinzessin, 15. Januar 2017

Aus aktuellem Anlass.

Ich lernte Andrej Holm während der Redaktionssitzungen des kritischen Mietermagazins der Berliner Mietergemeinschaft, dem MieterEcho, kennen, damalige Auflage 20.000, einige Zeit später wurden er, seine Freundin und seine Kinder über ein Jahr lang bespitzelt, Häuser von Bekannten und politischen Freunden illegal durchsucht, u. a. auch Räume, in denen ich tätig war, der Laptop einer engen Freundin von mir wurde illegal beschlagnahmt, sie und andere Freunde observiert, und schließlich wurde Andrej verhaftet und zu Unrecht ins Gefängnis gesteckt. Es erwischte alle kalt. Die Angst ging um. Ich saß neben seiner weinenden Freundin, die kleinen Kinder liefen um mich herum, der Vorwurf war massiv: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Unhaltbar, frei erfunden, basierend darauf, dass drei junge Männer, die beim Anzünden von deutschen Militärfahrzeugen erwischt wurden, in ihren Texten Schlagwörter aus seinen verwendet hatten – ein Vorwurf, mit dem man ihm und seiner kritischen Wissenschaft das Maul stopfen wollte. Es misslang. Andrej verschwand nicht, wie viele in der Immobilienmafia und unter ihren Freunden und Kumpanen hofften, in der Versenkung, sondern blieb bei seiner Wissenschaft, seine Thesen und Studien wurden mehr und mehr gehört, landesweit. Der schüchterne, jungenhafte Mann mit der hohen Stimme und den charmanten Nebentönen, wenn man ihn besser kennt, hielt dem Druck der Gegner stand, und ließ es auch nicht zu, dass sie seine Existenz vernichteten. Viele von uns in den politischen Bewegungen wachten damals auf und erkannten die Gefahren, unter denen wir die Fackeln der Wahrheit durch die Menge tragen. Wir erkannten: Die Gegner an der Macht werden uns stoppen, mit allen Mitteln, wo und wann sie eine Möglichkeit sehen. Unsere Waffe ist das Wort, die Demonstration, die Kunst, die Performance, die Kampagnen, Bürger- und Volksentscheide, all das, wofür wir seit vielen Jahren kämpfen und arbeiten.

Dass jemand wie Andrej Holm und das, wofür er steht, in einer politischen Machtposition eine massive Gefahr für die Mafia, ihre Freunde und Kumpane sein würde, für die Millionen und Milliarden auf dem Spiel stehen, man erinnere auch den bis heute nur inkonsequent aufgearbeiteten Berliner Bankenskandal, der uns mehrere Milliarden kostete, Berlin in die Armut trieb, man erinnere diesen ungeheuerlichen Selbstbedienungsladen, zu dem Teile der SPD- und CDU-Funktionäre und ihre Freunde unsere Stadt gemacht haben und machen, mit mafiösen Strukturen und Methoden bis hin zu damit verbundenem bis heute nicht aufgeklärten Mord, das, liebe Freunde und Friends, war und ist so klar wie Kloßbrühe … und den Rest kennt ihr ja … übrigens alles belegt, erwiesen, gerichtsfest und nachlesbar. Willkommen in der Realität!

Karin Baumert (Stadtsoziologin), Andrej Holm (Gentrifizierungsforscher), Christian Hanke (Bürgermeister von Berlin-Mitte, 2006-16), East Princess.

Teilerfolg an der East Side Gallery

Abriss Ghost, 8. Januar 2017

Das Bündnis ‚East Side Gallery retten!‘ hat im Ringen um den Schutz der East Side Gallery einen wichtigen Teilerfolg erstritten. Wurde das Bündnis unter der Ägide von Klaus Wowereit (SPD) vom Berliner Senat noch aktiv bekämpft, sind Teile unserer Forderungen im Jahr 2017 nunmehr Programm der neuen Landesregierung aus SPD, LINKE und GRÜNEN.

Nach den letzten Berliner Wahlen, die in einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis mündeten, ist auf Seite 46 des Koalitionsvertrages zu lesen:

[…] Die Koalition setzt sich für den durchgehenden Erhalt der Mauerreste und der Grünfläche im Bereich der East Side Gallery, sowie für Verhandlungen mit den Investor*innen über Ausgleichsgrundstücke ein. Die Kunstwerke sollen auch zukünftig gepflegt, regelmäßig restauriert und die Informationen vor Ort erweitert werden. […]

Zwar liegt die letzte größere Aktion des Bündnisses »25 Jahre Mauerfall – Heute feiern. Morgen abreißen.« zum 25.Jahrestag des Mauerfalls am 9.11.2014 inzwischen über zwei Jahre zurück, doch ist es dem Bündnis zwischenzeitlich Dank vieler Gespräche und Dank geschickt in den Wahlkampf eingebrachter Wahlprüfsteine gelungen, wesentliche Bündnisforderungen in den Koalitionsvertrag zu schreiben und damit zum Regierungsprogramm der rot-rot-grünen Koalition zu machen:

1. Für den geplanten 120 Meter langen und 9 Stockwerke hohen Hotelkomplex »Waterfront Living« von Investor Alon Mekel soll ein Ausgleichsgrundstück gefunden werden.
2. Der Bebauungsplan V-74 soll derart abgeändert werden, dass der ehemalige Todesstreifen als Grünfläche ausgewiesen wird.
3. Die Kunstwerke der East Side Gallery und somit auch das letzte vorhandene Original aus dem Jahr 1990 (Bild ohne Titel von Margaret Hunter und Peter Russell) sollen auch künftig gepflegt und regelmäßig restauriert werden.

Für diesen fulminanten Erfolg dankt das Bündnis allen, die sich mit ihrer Arbeitskraft aktiv in die Arbeit des Bündnissen eingebracht haben sowie den vielen tausend Unterstützern. Insbesondere danken wir den 92.758 Unterstützerinnen und Unterstützern unserer Online-Petition auf Change.org, den tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Mauerspaziergänge im Jahr 2013 sowie stellvertretend für die vielen namhaften Unterstützerinnen und Unterstützer Roger Waters, David Hasselhoff, Bela B. und Ben Becker.

Ein ganz besonderer Dank gilt zudem dem „Gesicht“ des Bündnisses, Sascha Disselkamp, der nicht nur viel private Zeit in die Bündnisarbeit gesteckt hat und mehrmals sogar persönlich bedroht und öffentlich aufs Mieseste diffamiert wurde, sondern auch viel eigenes Geld in unsere Arbeit und Projekte gesteckt hat.

Mit diesem Teilerfolg ist der Auftrag des Bündnisses »East Side Gallery retten!« jedoch nicht erfüllt. Noch immer stehen der geplante Hotelkomplex »Waterfront Living« sowie zwei Brückenbauprojekte im Bereich der weltberühmten Galerie im Raum. Auch müsste der inzwischen fertiggestellte Luxuswohnturm »Living Levels« von Investor Maik Uwe Hinkel zurückgebaut werden, um das Denkmal »East Side Gallery« wieder als ehemalige Grenze erfahrbar zu machen. Bereits 2013 hatte das Bündnis mittels einer kritischen Analyse nachgewiesen, dass eine Verbauung der Sichtachsen entlang des Denkmals bzw. des „geteilten Himmels“ über der Galerie ohne jedweden Ermessenspielraum der Verwaltung nach Berliner Denkmalschutzrecht (§ 10 DSchG Bln) verboten ist, da diese empfindlich in den Wirkbereich des Denkmals East Side Gallery eingreift.

Alle Jahre wieder

Ostprinzessin, 3. August 2016

Heute klingelte eine völlig überspannte SPD-Kandidatin an der Tür, der ich aber durchaus bescheinige, zumindest im Rahmen des Türrahmens ein offenes Ohr gehabt zu haben. Den Sprengelkiez bezeichnete sie als „verloren“, fürs Brunnenviertel habe sie noch Hoffnung und sei ganz furchtbar zuversichtlich, dass die Vertreibung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen ein Stück weit aufzuhalten sei. „Eine für alle“, steht auf dem Beipackzettel. Ich denke: Es allen recht zu machen, hieße, niemandem gerecht zu werden.

‪#‎MajaLasic‬ ‪#‎wahlkampfprobleme‬ ‪#‎agh2016‬ ‪#‎brunnenviertel‬ ‪#‎sprengelkiez‬

8 Jahre Ignoranz später

Abriss Phantom, 10. Juli 2016

betonmafia-versenken

Rette sich wer kann

Ostprinzessin, 17. Dezember 2015

„You are a good looking beautiful guy“, behauptete Herr Refugee, ein junger Mann aus Kirkuk, Nord-Irak, was der Geschmeichelte in jedem Fall ohne zu lügen erwidern hätte können und auch wollen, wäre da nicht der ernüchternde Rest gewesen: „Vagina is the best.“ Herr Princess, Willkommenskultur hin oder her, wollte und auch konnte dem nicht zustimmen und erklärte Herrn Refugee die Welt – welche diesem allerdings längst vertraut war. „Und wat is Ihre Aktie hier drin?“, fragte Herr Stulle, ein junger Streifenpolizist, und musterte den befragten Herrn Princess skeptisch. „Ich wurde um Vermittlung gebeten, auf Deutsch“. Herr Princess, Nachbar des kleinen, aber gar nicht feinen „Erst Best“ Hostels, in dem sich seit einigen Monaten eine Notunterkunft für bis zu sechzig Personen befand, in der es zwei Duschen und dreißigmal so viel Gestank, Stunk und Verzweiflung gab, hatte an der geöffneten Haube seines blaumetallischen, bayerischen Gefährten gestanden, um etwas spät, jetzt vor den abendländischen Feiertagen, Herbstlaub aus dem Motorraum zu fischen, als plötzlich Herr Refugee ihn unerwartet angesprochen und sein mobiles Multifunktionsfernsprechgerät ans Ohr gehalten hatte.

Schon im Normalbetrieb, soviel wusste Herr Princess, war die erst im vergangenen Jahr eröffnete „Erst Best“-Herberge eine wahre Zumutung: enge Schlafkabinen mit Stockbetten, niedrige Decken, Neonlicht, stickige Luft. Fünfzig Taler zahlte das Land Berlin täglich für diese Grube, pro Gruft bzw. Nase. Fünf Monate hatte Herr Refugee hier zugebracht. „Geht so“, befand das LaGeSo, also schaffte er das. Doch dann hatte er Glück: Seit vier Wochen bewohnte er das zweite Zimmer einer Privatwohnung im Milkakiez. Leider hatte das LaGeSo versäumt, die Unterbringungsvereinbarung zu verlängern und Herrn Refugee stattdessen dem „Erst Best“ zugewiesen. Als Herr Refugee hierauf aufmerksam machte, teilte man ihm mit, dass er sich im Hostel eine Ablehnung unterzeichnen lassen müsse, um erneut im LaGeSo vorstellig werden zu können, um eine erneute Unterbringung im Milkakiez zu erwirken. Leider aber lehnte Herr Gulágchef, der Betreiber des „Erst Best“, die Ablehnung ab. Die Gründe hierfür lagen auf der versilberten Hand.

Englisch, Arabisch, Türkisch und sogar Französisch sprach Herr Refugee fließend und wohl auch die Sprache des Herzens, als er erklärte: „I’m a friendly person“, und dass er auf Streit und Auseinandersetzung mit Herrn Gulágchef verzichten habe wollen, weshalb er bzw. Herr Princess bezeichnenderweise „112“, den Rettungsdienst, gerufen hatte, der dann an die Kollegen von der „110“ weiterleitete, während Herr Refugee weiter in der Kälte litt. „Orl is fein“, erklärte Stulle, um auch mal was zu erklären, und verlangte die Papiere. „Good luck“, wünschte Herr Princess, nachdem der Freund und Helfer ohne Hilfe oder Freundschaft, ohne Abschied wortlos fortgebraust war. Herr Refugee dankte sehr und reichte dem Vagina-unbeleckten Herrn Princess die Hand, machte sich dann auf zum LaGeSo, ja und wenn er nicht beim Warten umgefallen, verbannt oder im kalten Feuer der Bürokratie oder anderswo verbrannt worden ist, dann steht er sicher noch immer da. Welcome!

Wie kann ich helfen?

Ostprinzessin, 29. September 2015

Hallo Nachbarn!

Für alle, die im gegenwärtigen Chaos den geflohenen Menschen und künftigen Nachbarn an, in und vor den verschiedenen Anlaufstellen, Provisorien, Nothilfeeinrichtungen und drumherum helfen wollen, aber noch keinen konkreten Anschluss gefunden haben, hier zwei von vielen wunderbaren Möglichkeiten, sich umzusehen und bald tätig zu werden – aus der Distanz oder ganz persönlich.

https://volunteer-planner.org

https://netzwerkfluechtlingeberlin.wordpress.com

Berlins Elbphilharmonie

Der Böse Wolf, 3. Juni 2015

Der Böse Wolf erklärt Berlin

Die Hauptstadt hat einen weiteren Bauskandal: Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden

Was Skandale im Baubereich angeht, kann Berlin mittlerweile eine gewisse Erfahrung und Leidensfähigkeit zugestanden werden. Ihre lange Reihe wird sicherlich gekrönt vom Debakel um Terminverzug um Jahre und Kostensteigerungen in Milliardenhöhe bei der Errichtung des nach wie vor nicht fertiggestellten Flughafens Berlin-Brandenburg BER (siehe jW-Thema vom 2.1.2014). Dessen Baukosten stiegen mittlerweile von vormals geplanten 2,8 Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro – wobei nach Aussagen des ehemaligen Geschäftsführers der Flughafengesellschaft, Hartmut Mehdorn, die Aufwendungen für Zinsen und Finanzierungsaufwand noch gar nicht mit eingerechnet sein sollen. Gerade die Dauer des Skandals um den BER lässt die Vorgänge um die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden als vergleichsweise harmlos erscheinen. Doch besieht man sich den Fall der Staatsoper etwas genauer, so ließe diese Betrachtung durchaus den Schluss zu, dass es sich hier um einen Skandal handelt, der in derselben Liga wie der verkorkste Bau der Hamburger Elbphilharmonie spielt. Zwar bewegen sich die mittlerweile veranschlagten Kosten in Höhe von 389 Millionen Euro für die Opernsanierung noch unter den 789 Millionen Euro, die für die Errichtung des Hamburger Konzerthauses angedacht sind. Doch in Berlin weiß man mittlerweile, dass die Nennung irgendwelcher Kosten durch den Senat eher als unverbindliche Absichtserklärung denn als glaubwürdige Prognose zu betrachten ist.

Sanierung dringend notwendig

Erstmals in Betrieb genommen wurde das Gebäude am Prachtboulevard Unter den Linden im Jahr 1742. Seitdem wurde es mehrfach umgestaltet. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Oper nach Plänen des Architekten Richard Paulick in den 1950er Jahren wieder aufgebaut. Nach der Jahrtausendwende setzte eine Diskussion um eine Generalsanierung ein. In einem Gutachten eines Ingenieurbüros von 2001, das dem Abgeordnetenhaus zugeleitet wurde, heißt es: »Das Landesamt für Arbeitsschutz, der Technische Überwachungsverein und der Vorbeugende Brandschutz (Feuerwehr) drohen zum Teil seit Jahren, den Betrieb des Gebäudes einstellen zu lassen für den Fall, dass die Betriebssicherheit nicht unverzüglich durch längst überfällige, durchgreifende Maßnahmen wieder hergestellt wird.« Und alarmierend wird geschlossen: »Die Standsicherheit von Teilen des Gebäudes ist gefährdet.« Eine Sanierung der Spielstätte tut demnach schon seit Jahren not.

Vor diesem Hintergrund wurde 2008 ein Architekturwettbewerb ausgerufen. Der erste Preis ging dabei an das Büro des Architekten Klaus Roth, dessen Konzept eine komplette Neugestaltung des Innenraums vorsah. Allerdings war der Siegerentwurf bei einigen Akteuren von vorneherein umstritten, was den Senat schließlich zu der merkwürdigen Entscheidung veranlasste, die Sanierung nach Plänen des Architekturbüros »hg merz« durchführen zu lassen, welches zuvor aus dem Wettbewerb ausgeschieden war. Mit den Baumaßnahmen wurde im Herbst 2010 begonnen. Sie umfassen nicht nur die Oper an sich, sondern auch die Räumlichkeiten der Intendanz, einen Teil des Magazingebäudes und ein unterirdisches Verbindungsbauwerk zwischen Magazin und Opernhaus. In diesem »Kernstück« eines neuen Logistiksystems sollen künftig Kulissen transportiert und montiert werden. Zudem ist geplant, die Akustik im Zuschauersaal zu verbessern.

Ursprünglich sollte die Sanierung im Oktober 2013 abgeschlossen sein und der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden. Geplant waren damals Gesamtkosten von 239 Millionen Euro, die auch jahrelang vom Senat kommuniziert wurden. Im Laufe der letzten Jahre wurde die Fertigstellung allerdings immer wieder verschoben. Zunächst sollte der Spielbetrieb im Herbst 2014 wieder aufgenommen werden, dann ein Jahr später. Mittlerweile wird der Herbst 2017 als Termin genannt. Als Gründe für die ständigen Verschiebungen werden vom Senat eine ganze Reihe von Ereignissen genannt. So seien zum Beispiel in der Baugrube Holzpfähle von früheren Gebäuden aus dem 17. Jahrhundert gefunden worden, die man dort nicht vermutet habe. Dies wiederum habe Auswirkungen auf die gesamte Baugrube gehabt. Oder es habe bei der Mauerwerkssanierung zunächst der Bestand freigelegt werden müssen, um überhaupt den Sanierungsbedarf beurteilen zu können. Sowohl die Probleme mit der Substanz des Mauerwerks als auch die durch die Holzfunde in der Baugrube ausgelösten seien »definitiv nicht vorhersehbar« gewesen, heißt es in einer Darstellung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Dabei handelten die Verantwortlichen allerdings nach einer fatalen Prämisse: »Alle Beteiligten waren darüber informiert, dass der Bauablaufplan keine Puffer enthält und alle unvorhergesehenen Ereignisse sich direkt auf den Endtermin auswirken würden«, heißt es in der Antwort der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion der oppositionellen Piratenpartei. Bereits vor einem Jahr war klar, dass die Sanierung weit kostspieliger wird als gedacht. Damals gab der Senat bekannt, dass die Gesamtausgaben auf 296 Millionen Euro steigen würden. Doch schon Ende 2014 war die Summe auf die nun genannten 389 Millionen Euro angewachsen. Ob sich die Kosten weiter erhöhen werden, scheint zur Zeit noch offen.

Taktische Spielchen

Nach der genannten Kostensteigerung konkretisierte sich bei der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus aus Linken, Piraten und Grünen die Absicht, dem bisherigen Verlauf der Sanierung mit einem Untersuchungsausschuss auf den Grund zu gehen. Dieser wurde im März vom Parlament beschlossen. Am 8. Mai trat er schließlich unter dem Vorsitz des kulturpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Wolfgang Brauer, zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Bei seiner Tätigkeit soll es sowohl um die Voruntersuchungen zur Sanierung, das erstellte Bedarfsprogramm als auch um die Bauplanung und -ausführung gehen. Angedacht ist, die Arbeit des Ausschusses nach zwölf Monaten abzuschließen. Da allerdings im Herbst 2016 die nächsten Wahlen anstehen, ist zu befürchten, dass sowohl die jetzigen Regierungsparteien als auch jene, die auf einen Senatsposten ab 2016 spekulieren, ihren Aufklärungswillen daran ausrichten und die Ausschussarbeit entsprechend oberflächlich und taktierend gestalten.

Darauf deutete schon das Agieren der Koalitionsfraktionen SPD und CDU im Verbund mit Bündnis 90/Die Grünen während der konstituierenden Sitzung des Ausschusses hin. Gemeinsam beschlossen sie, das Rederecht von stellvertretenden Mitgliedern im Ausschuss einzuschränken. Dies trifft insbesondere die kleineren Fraktionen der Linken und der Piraten, die jeweils nur ein ordentliches Mitglied in den Ausschuss entsenden konnten. Der Obmann der Grünen, Oliver Schruoffenegger, bedankte sich sodann auch während der Sitzung in Richtung der CDU für die konstruktiven Vorgespräche, die im Vorfeld stattgefunden hätten. Dieses Detail macht wohl deutlich, woran zumindest den Grünen über die Aufklärung des Opernskandals hinaus gelegen sein dürfte. Begründet haben Koalition und Grüne die Schwächung der kleineren Fraktionen übrigens mit der Absichtsbekundung, man wolle die Ausschussarbeit zügig gestalten und nicht unnötig in die Länge ziehen – wozu das Vertagen eines großen Teils der Beweisanträge der Piratenfraktion allerdings nicht so recht passen mag. Auch die von den Grünen mitgetragene Begrenzung der Arbeitsdauer des Ausschusses auf zwölf Monate spielt der Koalition in die Hände: Sie kann mit ihrer Mehrheit die Tagesordnung festlegen, und es ist zu erwarten, dass sie somit die Vernehmung ihr nicht genehmer Zeugen möglichst weit hinausschiebt oder gar versucht, sie ganz zu verhindern.

Ohnehin legt die Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus so gut wie keinen aufklärerischen Ehrgeiz an den Tag. So erklärten SPD und CDU nach der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses: »Aus unserer Sicht sind die wesentlichen Fakten, die zu den Abweichungen bei den Kosten- und Terminplanungen geführt haben, bekannt.« Ob mit solcherlei Manövern eine tatsächliche Aufklärung wird stattfinden können, bleibt abzuwarten.

Das Finanzierungskonzept

Denn jenseits von Baupfusch, fragwürdigen Umplanungen und Kostensteigerungen, die auch bei anderen Projekten immer wieder auftreten, brächte eine genauere Untersuchung zum ursprünglichen Finanzierungskonzept der Sanierung sicherlich interessante Einblicke in das Verständnis, mit dem in Berlin solcherlei Großprojekte angegangen werden.

Die Finanzierung sollte ursprünglich zwischen dem Bund, dem Land Berlin und dem »Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden« aufgeteilt werden. Im sogenannten Hauptstadtfinanzierungsvertrag von 2007 ist in Paragraph 2 festgehalten, dass der Bund sich an der Maßnahme mit einer festen Summe von 200 Millionen Euro beteiligen wird. Einem Zusatzvertrag von 2008, der sich konkret mit der Sanierung der Oper befasst, ist zu entnehmen, dass der Förderverein neben einer damals bereits geleisteten Spende von 500.000 Euro plane, weitere 29,5 Millionen Euro an Spenden für die Sanierung einzuwerben.

Auf Berlin wären nach diesem Modell lediglich neun Millionen Euro entfallen – eine vergleichsweise günstige Summe für ein generalüberholtes Opernhaus samt Errichtung eines neuen unterirdischen Verbindungsbauwerks. Laut Vertrag mit dem Bund hat Berlin eine gesonderte Vereinbarung mit dem Verein über dessen Beitrag zu treffen. In einem internen Vermerk vom 16. Juli 2009 der Berliner Senatskanzlei, der die Kulturverwaltung unterstellt ist, heißt es, von letzterer sei nun eine »Aufstellung und Abstimmung einer Vereinbarung zur Einbindung« des Freundeskreises in »Planung und Ausführung der Sanierung und Modernisierung« einzuleiten. Dies ist allerdings bis heute nicht geschehen, lediglich bei einzelnen Maßnahmen haben sich Opernfreunde und Senat vertraglich festgelegt. Darüber, warum Berlin seine eigenen Vorgaben hier nicht eingehalten hat, kann im Moment nur spekuliert werden. Vielleicht war den Verantwortlichen damals schon klar, dass der Förderverein gar nicht in der Lage sein würde, die zugesagten Mittel tatsächlich zu erbringen.

Berliner Kulturfilz

Doch in jedem Fall spielte der Verein in dem ursprünglichen und längst hinfälligen Finanzierungsmodell eine nicht unbeträchtliche Rolle. Dessen Vorsitzender, der mittlerweile verstorbene Berliner Unternehmer Peter Dussmann, ließ sich Ende Mai 2006 vom »Chefreporter« des Berliner Boulevardblättchens BZ, Gunnar Schupelius, interviewen. Dussmann sei, so heißt es im lobhudelnden Vortext, »einer der größten Dienstleister der Welt« und »der wichtigste Mäzen der Staatsoper«. Die »Opernfreunde« gäben mit der Finanzierung der Planung »den Startschuss« für die Sanierung, ließ Dussmann den Reporter wissen: »Wir vom Freundeskreis schießen 30 Millionen Euro bei, der Rest kommt von Bund und Land. Darauf haben sich Bund, Land Berlin und wir, die Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden, verständigt«, so Dussmann. Was der Mäzen allerdings vergaß zu erwähnen, war der schon genannte Umstand, dass zwischen den Freunden der Staatsoper und dem Land Berlin außer dieser nebulösen Verständigung nie eine verbindliche Vereinbarung zu einem finanziellen Beitrag getroffen wurde, womit der Verein auf die Zahlung der großspurig zugesagten Mittel hätte verpflichtet werden können. So kam es, dass der Förderverein bislang lediglich 2,5 Millionen zur Verfügung gestellt hat. Weitere 1,6 Millionen Euro sollen bis Ende 2016 überwiesen werden. Vereinbart wurde mit dem Freundeskreis lediglich die Verwendung der Mittel für die Aufstellung eines Bedarfsprogramms im Jahr 2007 (0,5 Millionen Euro), die Sanierung des Apollosaales des Opernhauses (drei Millionen Euro) sowie den Einbau einer Untertitelungsanlage (0,6 Millionen Euro).¹

Darüber, wie der Verein die versprochenen 30 Millionen Euro hätte aufbringen wollen, scheint er sich selbst nie im klaren gewesen zu sein: Im Zuge einer Ringvorlesung an der Freien Universität Berlin hielt Dussmann im Juli 2005 einen Vortrag mit dem Titel »Überlegungen eines Berliner Unternehmers zur privaten Finanzierung einer Staatsoper«. Darin erläuterte er, wie der Freundeskreis damals gedachte, die 30 Millionen Euro aufzutreiben. Man habe auf der Mitgliederversammlung im Juni 2005 beschlossen, die Summe »aus privaten Mitteln« aufzubringen. Man wolle »guten Willen« beweisen und einen Anstoß zur überfälligen Sanierung geben. Hierzu wolle der Verein »bei Banken möglichst viele zinsfreie Kredite aufnehmen« und in fünf bis zehn Jahren wieder zurückzahlen. Damals meinte Dussmann, der Bund, das Land Berlin und sein Förderverein sollten jeweils ein Drittel der Sanierungskosten übernehmen.

Ein Jahr später hatte sich die angeblich beabsichtigte Finanzierungsmethode der Opernfreunde deutlich gewandelt. Im bereits erwähnten Interview mit der BZ gab Dussmann an, dass die 30 Millionen Euro nun von seinem Verein innerhalb von zehn Jahren zusammengebracht werden sollten. Dies wären pro Jahr drei Millionen Euro gewesen. Eine Million davon hätten die Vereinsmitglieder beisteuern sollen – wozu allerdings deren Anzahl erheblich hätte erhöht werden müssen. Die zweite jährliche Million solle, so Dussmann 2006, durch Sponsoring aufgetrieben werden, wovon er selbst 500.000 Euro übernehmen wolle. Eine weitere Million sollte über Veranstaltungen hereinkommen: »durch Barenboim-Konzerte² in der Waldbühne und Fundraising-Dinner im Apollosaal«.

Auch dieses Konzept schien nicht aufgegangen zu sein, denn später habe der Verein nach Angaben des Senats vorgehabt, seine Spenden über Großplakatwerbung an der Fassade der Staatsoper zusammenzubringen, was letztlich aber aus baurechtlichen Gründen gescheitert sei. Mit dieser Reklame sollten nach Auffassung Dussmanns jährlich 750.000 Euro eingespielt werden, so der Senat. Allerdings dürfte es sich hier um eine recht zweifelhafte Art der Spendenakquise gehandelt haben: Aus welchem Grund sollte das Land Berlin die Fassade einer landeseigenen Baustelle einem privaten Förderverein als Werbefläche zur Verfügung stellen, damit dieser die damit generierten Einnahmen als Spenden an das Land Berlin zurücküberweist?

Nachdem Dussmann aus gesundheitlichen Gründen aus dem Vorstand des Fördervereins ausgeschieden war, nahm sein Nachfolger, das ehemalige Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und seit 2011 auch Mitglied im Stiftungsrat der Dussmann Group, Tessen von Heydebreck, die Zusage des Vereins über die 30 Millionen Euro zurück. Nach einer Antwort des Senats auf eine weitere parlamentarische Anfrage der Piratenfraktion habe der Verein im Juni 2010 schriftlich mitgeteilt, dass »eine auf 30 Millionen Euro festgeschriebene Selbstverpflichtung nicht abgegeben und die Erbringung dieses Beitrages zur Sanierung der Staatsoper nicht gewährleistet werden könne«.³ Man mag diesen Vorgang nun als das peinliche Resultat unternehmerischen Großsprechertums abtun – wäre da nicht der Umstand, dass Dussmann und Co. versuchten, auf den Gang der Sanierung der Staatsoper massiven Einfluss auszuüben. So mischte sich der Unternehmer persönlich lautstark in die Auseinandersetzung um die Gestaltung ihres Innenraums ein und drohte im Juni 2008 öffentlich, dass sein Verein die Zusage über 30 Millionen Euro zurückziehen werde, sollte der Dussmann nicht genehme – »modernistische« – Entwurf des Wettbewerbsgewinners Klaus Roth tatsächlich umgesetzt werden, was ja schließlich auch nicht geschah.

Niemand ist verantwortlich

Der Untersuchungsausschuss muss auch klären, inwieweit das Land Berlin und seine Vertreter sich um 2008 herum durch Dussmann unter Druck setzen ließen, wo sich doch bereits ein Jahr später herausstellte, dass der Verein die zugesagte Summe nicht aufbringen kann und ohnehin nie eine verbindliche Vereinbarung hierzu bestand. Warum tauchte der Förderverein überhaupt an prominenter Stelle in Vereinbarungen zwischen dem Bund und dem Land Berlin über die Finanzierung der Opernsanierung auf, wenn seine Finanzierungszusagen von Anfang an auf tönernen Füßen standen? Geschah dies etwa, um der Öffentlichkeit und dem Parlament vorzutäuschen, dass die Kosten mit den neun Millionen Euro für das notorisch klamme Berlin vergleichsweise gering ausfallen würden? Damit man so leichter und ohne allzu unbequeme Fragen mit der Sanierung loslegen konnte, bis diese nicht mehr zu stoppen war?

Denn dadurch, dass der Bund seinen Beitrag auf 200 Millionen Euro deckelte, muss Berlin für alle Zusatzkosten aufkommen, auch für die von den Opernfreunden zugesagten und nie erbrachten Millionen. Jede Verzögerung und alle angeblich nicht absehbaren Ereignisse auf der Baustelle wirken sich somit direkt auf den Landeshaushalt aus. Sämtliche Ungereimtheiten geschahen unter der Ägide des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters und Kultursenators Klaus Wowereit (SPD), des ehemaligen Bausenators und jetzigen Stadtoberhaupts Michael Müller (SPD) sowie der ehemaligen Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Der SPD-geführte Senat hat die Antwort auf alle Fragen allerdings schon gefunden: »Es gibt keine Person oder Institution, die für die Verzögerung und die Mehrkosten verantwortlich ist. An allen Stellen wurde und wird seriös geplant und gearbeitet«, heißt es in einer Broschüre der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Anmerkungen

1 Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 17/15287

2 Also Konzerte mit dem Generalmusikdirektor der Staatsoper, Daniel Barenboim

3 Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 17/15466

Erschienen in junge Welt, 16.05.2015.

Benedict Ugarte Chacón arbeitet als wissenschaftlicher Referent der Fraktion der Piratenpartei im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Mietenvolksentscheid: Kurz vor 20.000

Ostprinzessin, 2. Mai 2015

mietenvolksentscheidDer Berliner Mietenvolksentscheid steht nach nur wenigen Wochen kurz vorm ersten Etappenziel: der benötigten Sammlung von 20.000 Unterschriften.

Wer noch nicht unterzeichnet hat, kann hier sehen, wo er das tun kann, oder direkt ein PDF der Unterschriftenliste ausdrucken.

Das „Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin“ braucht dich. 😉

Weiter geht’s!

Großes Spekulantenlynchen

Abriss Phantom, 5. März 2015

die_irre_von_chaillot

Droht Berlin die Normalität anderer Städte? Die Inszenierung „Die Irre von Chaillot“ im Theaterdiscounter begreift Gentrifizierung als Spiegel einer größeren gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Jener, die das wilde politisch Ungemütliche beschneidet und eine leicht gangbare hyperwertkonservative Klientel hegt. Sie diagnostiziert eine ex-exzentrifizierung, bei der es zunehmend mehr um ein Angebot an Karriere fördernden Kindergärten als um die Erhaltung eines für Berlin einst typischen Lebensgefühls geht. Kämpfen wir nicht neben dem Kampf um bezahlbaren Wohnraum einen viel größeren Kampf? Werden wir in einem purifizierten Umfeld leben – oder in einem, das uns gefällt?

Eine Bande Grandes Dames wehrt sich gegen die Vertreibung aus ihrem Bohème-Viertel. „Wir oder Ihr!“ skandieren sie und ertränken die Spekulanten in den Pariser Kanälen. Das Ensemble Mariakron versetzt die unauffällig brutale Boulevardkomödie von Jean Giraudoux von der Seine an die Spree und inszeniert sie als Schlachtfest gegen urbane Durchschnittlichkeit.

Cornelius Schwalm radikalisiert das betulich angestaubte Theaterstück für die lokal-emanzipative Verwertung. Seine Inszenierung diagnostiziert jene sich über Berlin stülpende neuartige Ordnung, die droht, unseren sympathischen Moloch in die politisch-gesellschaftliche Seelenlosigkeit anderer Städte einzureihen. Durch die Aufwertung ganzer Viertel gedeiht eine leicht zufriedenstellende Klientel und die Unbequemen werden an den (Stadt-) Rand gedrückt. Peu à peu werden Freiheit, Chaos und das raue Temperament Berlins überpinselt und glatt geputzt. Schnödes Ruhemonopol der Besitzer statt tönende Clubseeligkeit der Bewohner. Oder zertrampelt der Durchschnittliche die Phantasten, die Lichtscheuen, die Seltsamen, Einsamen, die Träumer und nachgiebig Nicht-Integrierbaren?

Die ausgemachten Zerstörer werden in einem knallharten Schauprozess zum Tode verurteilt und Berlin aus dem Würgegriff befreit. Klappe zu, Kapitalist tot: Die Guten haben über die Bösen gesiegt. So einfach ist das. Die Spekulanten-Makler-Besitzer-Spießer verwesen im Keller, oben errichten wir romantische Inseln. Dem Aufbruch in eine ungewisse, aber neue Zukunft steht am Ende jedenfalls nichts mehr im Wege.

Die Unterdrücker der Menschheit zu bestrafen, ist Wohltat. Ihnen zu verzeihen, ist Barbarei.

Ich spekulier auf eine Bartholmäusnacht, und ehe ich die nicht durchsetze, schmeckt mir der beste Missetäter nicht mehr. Der Kapitalismus, die Kapitalisten, Investoren, Start-Upper, Maschmeyer, Samwer, Koch und wie sie alle heißen, sie alle vernichten den unsichtbaren Menschen, seine Seele. Zurück behalten sie Hüllen. Tausende Hüllen, die sie gegeneinander ausspielen.

Aber das ist nichts Neues, das wissen wir alles. Wir wollen es nur noch einmal wiederholen. Sie behalten nur die Hüllen, und damit sind sie letzten Endes noch viel schlimmer als das Dritte Reich. Da sie so blutleer daherkommen. Das ganze neoliberale Geschwerl, das den Ton dieser Stadt ins Utilitaristische kippen lässt, das die Brachen zubaut. Sie schmeißen Seelen in ihre preisgekrönten Innovationsöfen, in ihre sinnentleerten Humankapitalressourcenverschwendungsunternehmen. Ich verstehe sie nicht, seit Jahren versuche ich sie zu verstehen, aber ich sehe nur Dummheit und Kurzsichtigkeit.

Es ist ein Kulturkampf, Dionysus gegen Klassik. Eine vollkommen neue Form der Arisierung, der Reinmachung, der Säuberungen. Das sind ethische Säuberungen. Sie wollen uns an den Rand drängen, an den gesellschaftlichen Rand, hin zur Bedeutungslosigkeit, so lange, bis wir vom übervollen Teller fallen und schweigen.

Wobei „sie“ keine wirklich klar zu umreißende Masse ist, wie es eben heute so ist, wo es keine klare Gut-Böse-Dichotomie mehr gibt – leider. Denn „sie“, das ist immer auch der bildungsbürgerliche Schauspieler und Regisseur, der sich von Papis Erbe eine Eigentumswohnung am Prenzlauer Berg kauft und sich damit wissentlich zum Schergen jener macht.

Deswegen müssen wir sehen, ob wir auch sie, die aus Versehen, aus Nachlässigkeit, aus Nicht-Mitdenken, ob wir die auch töten sollen oder nicht.

Sie haben die Arbeiter zum Schweigen gebracht, indem sie das Privatfernsehen erfanden. Nun sitzen die potentiellen Revolutionäre von morgen und lesenden Arbeiter von gestern paralysiert vor der Glotze und schauen das Dschungelcamp; anstatt Marx und Zizek zu lesen und darüber zu reflektieren, dass der Kommunismus eine ewige Idee ist, die im Sinne der hegelschen konkreten Allgemeinheit wirkt, werden sie selbst zu Ausbeutern.

Jeder ist schuldig, wir kaufen bei geknechteten, schlecht bezahlten Menschen und sind selbst geknechtet und schlecht bezahlt. Warum gibt es keine Biosiegel für Unternehmen? Warum ist da kein Aufkleber am Verkäufer, der besagt, wo er herkommt, was er verdient, wie er behandelt wird, kurz: ob er ein glücklicher Verkäufer in artgerechter Haltung ist.

Man sollte das Pack, das bei Primark kauft, zu Zwangsarbeit verurteilen. Am besten bei Primark. Man muss gar nicht mehr bis nach Sibirien. Bei Primark arbeiten zu müssen, oder bei Uniqulo, das ist doch dasselbe wie ein Gulag. Nur, glaube ich, gab es da wenigstens ein Kulturprogramm.

Wir schlagen ussere Feinde, die nichts Böses von uns erwarten außer einem schlechten Roman, einer misslungenen Stückentwicklung oder einer dummdreisten Installation, auf die man aber so stolz ist wie ein Kleinkind auf seine eigene Kacke, mit ihren eigenen Mitteln. Wir schlagen zu, Bringen den Krieg, den diese Menschen in ihren Betrieben, Häusern, Start-ups gegen ihre Angestellten, Mieter, Mitbürger führen in das Herz dieser narzisstischen Bestien zurück und löschen sie aus.

Lasst uns diesmal nicht wieder irren und die Falschen vernichten. Diesmal will ich die Richtigen vernichten.

Mauerpark noch nicht verloren?

Abriss Ghost, 2. März 2015

Seit über 20 Jahren setzen sich Bürgerinnen und Bürger für eine Erweiterung und Fertigstellung des weltweit bekannten Mauerparks auf seiner gesamten Fläche ein, südlich und nördlich des Gleimtunnels. Zahlreiche Bebauungspläne reiner Kapitalanlage-Projekte konnten bisher erfolgreich abgewehrt werden, um den Mauerpark als lokalen und internationalen Park zu sichern.

Jetzt haben sich Land und Bezirk erneut mit Berlins einflussreicher Investorengruppe Groth zusammengeschlossen, um eine massive Bebauung mit 709 überwiegend hochpreisigen Wohnungen am nördlichen Rand des Parks durchzusetzen.

Das wird nicht nur die Nutzung des Mauerparks verändern, sondern Wohnen und Mieten im Viertel – das schon in den letzten Jahren durch Mietsteigerungen für viele der Bewohner unbezahlbar wurde – extrem verteuern. Für viele Bewohner heißt das: Wegziehen. Aus der Innenstadt, aus ihrem langjährigen Lebensumfeld.

Bitte nehmt Euch einen Augenblick Zeit! Wir versuchen auf verschiedenen Wegen die mietpreissteigernde Bebauung zu verhindern. Einwendungen schreiben ist nur einer davon. Der Mauerpark ist ein Park für die ganze Stadt!

EINWENDUNGEN SCHREIBEN

Bis Mitte März liegt der Bebauungsplan im Bezirksamt Mitte aus. Jede und jeder kann bis zum 16.3. seine Argumente gegen die Bebauung geltend machen, ob aus Berlin oder von woanders, ob Kind oder Erwachsener. Es geht ganz einfach: Auf der Homepage www.mauerpark-allianz.de findet man den Link zum Bauplan, wichtige Argumente, ein elektronisches Eingabeformular für Einwendungen und einen mehrsprachigen Informationsflyer. Schreibt Einwendungen! Schaut, welches Argument euch einleuchtet und postet es auf unserer Homepage (wir reichen es dann gesammelt an das Bezirksamt weiter). Oder begründet selbst. Und verbreitet diese Aufforderung an Freunde, Bekannte und Verwandte. Je breiter und mehr Argumente eingewendet werden, desto schwieriger wird die Lüge vom Einverständnis.

ZEIGEN WIR DEN VERANTWORTLICHEN IN SENAT UND BEZIRK

·  dass wir die seit über 20 Jahren umkämpfte Fertigstellung und Erweiterung des Parkes endlich umsetzen wollen: für einen einzigartigen, lebendigen Park inmitten der Stadt! Als dringend benötigte Naherholung der dichtbesiedelten Bezirke Prenzlauer Berg und Mitte/Wedding, als Ort für nicht-kommerzielle, spontane und internationale Kultur und zum Gedenken auf ganzer Länge an die ehemalige Teilung der Stadt.

·  dass wir uns von der Lüge des angeblich bezahlbaren Wohnraums nicht für dumm verkaufen lassen. Alle geplanten Wohnungen liegen (z. T. weit) über dem Mietspiegel bzw sind ohnehin Luxus-Eigentumswohnungen und werden zu weiterer Verdrängung der bisherigen Anwohner aus dem Kiez führen.

·  dass wir nicht akzeptieren, dass öffentliche Gelder für die sozial geförderten Wohnungen an der Bahn-Trasse eingesetzt werden, die als lebendige Lärmschutz-Barriere für die privat durch den Investor vermarkteten Eigentums-Wohnungen dienen.

·  dass wir die völlig unzureichende, schmale Erschließung des geplanten Wohngebiets über einen Verkehrskreisel zwischen den Wohnhäusern der westlichen Gleimstraße und dem Gleimtunnel für fahrlässig und verantwortungslos halten.

·  dass wir nicht bereit sind, uns durch Verträge wie den Mauerparkvertrag von 2012 erpressen zu lassen, in dem VOR jeder Bürgerbeteiligung weitgehende Vorfestlegungen der Bebauung verabredet werden, dem Investor öffentliche Gelder als Kostenzuschuss für das profitträchtige Bauvorhaben zugesagt und Entschädigungen in Millionenhöhe versprochen werden, sollte sich das Projekt nicht realisieren lassen.

Ein paar Hintergrundinfos bekommt ihr durch den Kurzfilm: http://www.wirsindnochda.tv

WENN IHR MEHR WISSEN ODER EUCH WEITER BETEILIGEN WOLLT

Dienstag, den 3. März um 19 Uhr in der Freien Schule am Mauerpark, Wolliner Str. 25/26
und Plenum jeden Montag ab 19 Uhr in der Jugendfarm Moritzhof, Schwedter Straße 90

Wem gehört die Stadt?

Abriss Ghost, 20. August 2014

Nach der TV-Ausstrahlung im Ersten nun noch bis zum 28.08. in der ARD-Mediathek zu sehen: Der Dokumentarfilm Wem gehört die Stadt? von Andreas Wilcke u. Kristian Kähler, produziert vom SWR.

Wir… waren auch mit dabei.

(ARD)

Ein Mietshaus in Neukölln soll saniert, in Eigentumswohnungen umgewandelt und teuer verkauft werden. Plötzlich entdecken Mieter, dass ihre Wohnung – schick aufgemacht – auf Immobilienportalen zum Verkauf angeboten wird. Ihnen selbst steht eine saftige Mieterhöhung ins Haus. Wie kann das sein? Wie können sich die die Mieter wehren? Und was führt der Besitzer im Schilde?!

Der Norweger Einar Skjerven landet regelmäßig mit dem Flieger in Berlin. Er hat Berlin als Immobilien-Dorado entdeckt. In großem Stil kauft und verkauft er inzwischen Eigentumswohnungen in der deutschen Hauptstadt – an zahlungskräftige Kundschaft aus ganz Europa, die in das Berliner „Betongold“ investiert. Was hat ihn an Berlin gelockt und warum lohnt sich die Stadt für ihn so sehr?

Ali Gülbol hätte nie gedacht, dass er einmal in den Schlagzeilen landen würde. Doch als die Gerichtsvollzieherin mit 800 Polizisten anrückt, um seine Kreuzberger Wohnung zu räumen, stellt sich ihm die Frage: Wem gehört die Stadt?

Ariane Mummert leitet den Vertrieb eines Maklerbüros, in dem über 40 Makler arbeiten. 280 Millionen Umsatz – und die Neubauprojekte werden immer größer. Da sind neue Vertriebsideen gefragt, um die teuren Objekte an die Kunden zu bringen – zum Beispiel eine nächtliche Immobilientour per Reisebus.

Eigentlich wollten die Geschwister Schöne nur die sanierungsbedürftige Altbauwohnung ihrer Eltern verkaufen: Doch nach nicht einmal zwei Tagen müssen sie die Anzeige aus dem Immobilienportal nehmen. Hunderte Anrufe, zahllose Mails, Kaufinteressenten, die im Treppenhaus Schlange stehen und sich hemmungslos überbieten. Der Berliner Markt läuft heiß.

600 Wohnungen mit mehr als 60.000 Quadratmetern – ein Riesenneubauprojekt in direkter Nachbarschaft – für Carsten Joost der Supergau im am dichtesten besiedelten Bezirk Berlins. Denn in Friedrichshain fehlt es eher an Parks und Grün, die Mieten steigen rasant und jetzt soll, so fürchten die Anwohner, ein gigantisches Projekt mit schicken Eigentumswohnungen die Lage noch weiter verschärfen. Joost und seine Helfer wollen die Öffentlichkeit mobilisieren. Ihr Kontrahent versteht das Problem nicht: Die Stadt braucht dringend neue Wohnungen und er will sie bauen. Sogar großzügige Geschenke hat er verteilt – eine kostenlose Kita und 3000 Quadratmeter preiswerte Mietwohnungen.

Der Film von Kristian Kähler und Andreas Wilcke gibt einen tiefen Einblick in das Geschehen am aufgewühlten Berliner Immobilienmarkt.